Getreidewissen kompakt

17.05.2018 11:29

Ausgabe 7: Frisch geliefertes Getreide: Reinigen - Ja oder Nein?

Neues aus der Wissensdatenbank.
Das Getreide wird leider nicht 100%ig sauber und immer perfekt angeliefert. Oftmals finden wir Verunreinigungen und fremde Körner oder Früchte darin, dies nennt man landläufig Besatz und wird laut Wikipedia wie folgt eingeteilt:

  • Schmachtkorn auch „Kümmerkorn“ genannte, nicht voll ausgebildete, Körner < 2 mm Dicke
  • Bruchkorn beschädigtes Korn mit freiliegendem Mehlkern
  • Körner mit Auswuchs
  • Fremdgetreide
  • Samen von anderen Getreidekulturen
  • Schädlingsfraß
  • Körner, die Fraßstellen von Nagern oder Einstichstellen von Insekten aufweisen
  • Körner mit Keimverfärbungen und durch Trocknung überhitzte Körner.
  • Als Schwarzbesatz gelten
  • verdorbene Körner
  • Unkrautsamen (giftig/ungiftig)
  • Mutterkorn
  • Brandbutten
  • Verunreinigungen (Staub, Steine, Metallteile, Stroh) und Spelzen
  • Tierischer Befall
  • Insekten
  • Insektenteile

Quelle (Wikipedia Getreide Besatz)

Stark befallene Weizenkörner im Vergleich zu unbefallenem Weizen (Fotonachweis: idw/FAL)

Für uns Lageristen stellen diese Dinge ein großes Problem dar. Während Fremdteile wie Steine, Metalle, Kunstoffe, Glas, etc. für den Mühlenbetrieb ein Problem darstellen, so haben wir hauptsächlich Probleme mit Fremdpflanzen, Bruchkörner, Blattwerk und grünen Samen. Die Begründung ist ganz einfach, all diese, oder fast alle, Grünteile enthalten erheblich mehr Feuchtigkeit als gesundes erntereifes Getreide. Und noch etwas, all diese Teile sind tot! Während das gesunde Getreidekorn lebt und sich sehr gut selbst gesund erhalten kann, sind all diese fremden Pflanzenteile bereits dabei zu verwesen und am vergammeln. Der hohe Feuchtigkeitsgehalt dieser Fremdteile führt sehr schnell in der Lagerstelle zu Schimmel mit all seinen teils extrem toxischen Randerscheinungen. Über eine Sache muß man sich im Klaren sein, diese feuchten Pflanzenteile werden definitiv in unserem Lager verschimmeln, ob wir uns bemühen oder nicht, sie sind viel zu feucht, um gesund erhalten zu werden. In der Masse des Getreides sind diese Schimmelgebiete dann aber oftmals nur schwer zu erkennen, aber gut zu messen, bei einer toxischen Analyse. In jedem ordentlichen Lehrbuch über die Getreidelagerung steht irgendwo am Anfang immer dieser bekannte Satz: Eingelagert wird ausschließlich sauberes und trockenes oder getrocknetes Getreide.
So einfach wäre es….nur wir halten uns leider nicht daran und müssen deshalb mit den Folgen leben.
Was kann das sein?
Zuallererst ist natürlich das Hauptproblem beim Besatz die hohe Feuchtigkeit und der zwangsläufige Schimmel. Haben wir zu viel Besatz im Korn und zu große Areale im Lager die verschimmeln, wird das gesunde Getreide in Mitleidenschaft gezogen. Das Hauptproblem beim Besatz ist aber ein ganz anderes: Der Besatz hat ein anderes Abrollverhalten! Das heißt, während das gesunde Getreide links den Hang hinunterläuft, sammelt sich der leichtere Besatz an einem Punkt und bildet Anhäufungen oder Schichten. Auf diese Besatzhaufen legt sich dann irgendwann wieder sauberes Getreide und rückt den Besatz, mit seinem Gewicht, zusammen zu einem dichten, festen Klumpen. Jetzt ist der Schaden angerichtet und der weitere Verlauf der Probleme ist vorprogrammiert. Der Besatz mit seinen weichen Pflanzenteilen und seiner hohen Feuchte wird viel dichter gepresst als das übrige Getreide. Die Belüftungsluft, die normalerweise zwischen den Körnern langsam aufsteigt und das Getreide kühlt, wird nicht durch diese Anhäufungen gehen und diese kühlen. Daher bleiben diese Haufen warm! Der Schimmel setzt ein, die Verwesung und der Schimmel wird sich von hier aus ins gesunde Getreide verbreiten. Diese Trennung des Besatzes von gesunder Ware lässt sich am Besten bei der Rapslagerung beobachten, da sich hier der Besatz tatsächlich zu 100% trennt. Bei der Füllung einer Rapsbox legt sich der Besatz oben auf den eingelagerten Raps. Nachlaufender Raps spült sich unter diese Schicht, während der Besatz wieder oben liegen bleibt, es entstehen Schichten rein aus Besatz, während darunter sauberer schwarzer Raps liegt. Irgendwann ist diese Schicht vielleicht 15 cm stark, dann legt sich erneut Raps auf diese Schicht und presst sie zusammen. Bei der Entleerung der Rapsbox treten dann waagerechte weiße Streifen im Lager auf, die komplett verschimmelt sind, während darunter oder darüber, sauberer Raps schwarz glänzt.Dies kann schon zu einem mechanischen Problem bei der Belüftung führen, da diese Schicht in 2-3 Wochen, je nach Feuchtigkeit, zugeschimmelt sein kann. Man darf also ein frische Rapsbox nicht wochenlang unbelüftet lassen, da diese Schicht schnell eine Sperre aufbaut und die Belüftungsluft ganze Bereiche der Box somit nicht mehr einwandfrei belüften kann. Der Raps darüber kann nicht mehr ordentlich gekühlt werden.

Es besteht rein technisch überhaupt kein Zusammenhang zwischen Besatz und der Käferproblematik, allerdings ermöglicht ein höherer Besatzanteil im lagernden Getreide ganz eindeutig eine größere Käferpopulation. Natürlich braucht man trotz eines erheblichen Besatzanteiles sicherlich ein Männchen und ein Weibchen, allerdings haben diese Tiere dann etwas was sie ohne Besatz nicht hätten ein warmes Nest! Denn tatsächlich wäre durch eine normale Belüftung die Temperatur in der Schüttung ein paar Wochen nach der Ernte bereits so niedrig, dass diese Tiere sich nicht mehr vermehren könnten. Aber durch den Besatz, der sich zu Klumpen sammelt und zusammengepresst wird, entstehen warme, nicht kühlbare Bereiche in die sich die Tiere zurückziehen können und in Ruhe und Wärme ihr Brut legen können. Dem Lageristen bleibt nichts anderes übrig, als dem Treiben zuzuschauen, denn das einzige Hilfsmittel, das der Lagerist hat, die Kühlung, ist funktionsunfähig, da diese Klumpen nicht durchlüftbar sind. Wir Menschen haben hier also den unangenehmen Tieren ein warmes schönes Zuhause gebaut, ohne dass sich die Insekten gar nicht vermehren könnten. Die Entscheidung, die Ernteware direkt ohne Reinigung einzulagern, kann dem Lageristen gewaltige Kopfschmerzen verursachen, da etliche Probleme im Lager nur mit dem Besatz zu tun haben.

Kornkäfervermehrung auf beschädigtem Getreide (Fotonachweis: Fotolia)

Also, wenn selber gedroschen wird, sollte schon auf die richtige Einstellung des Mähdreschers geachtet werden und für Getreidelagerbetriebe muss abgewogen werden, ob dieses Fuder noch in den Silo gehen kann, oder sollte man es vorher lieber über den Windsichter schicken? Auch hier stellt sich die Frage, ob einfaches schnelles Einlagern wichtiger ist, oder der Qualitätserhalt über vielleicht ein Jahr. Natürlich sind leider 2% Besatzanteil kaufmännisch erlaubt und deshalb habe ich es schwer mich mit einer weitergehenden Reinigung durchzusetzen, aber deutlich über 2% sollte der Anteil wirklich nicht sein. Noch einmal; der feuchte Besatz im Lager wird definitiv verschimmeln und es werden Mykotoxine gebildet, die den Menschen gefährden können. Nur sehen wir diesen Schimmel kaum, außer bei Klumpen, aber der Aufkäufer kann diese Mykotoxine messen. Und dies kann die Vermarktung gefährden und alle Menschen, die diese Ware essen, also auch Sie.

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Kommentare 1
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Nicolas G., 26.04.19 07:42

Toller Kommentar!